Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers ist sein Amtssitz, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, welches er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten vorzuhalten hat. |
Sachverhalt
Streitig war, ob die Fahrtkosten eines Gerichtsvollziehers von seinem Wohnort zu seinem Amtssitz (Amtsgericht) als Reisekosten oder nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar sind. Der Steuerpflichtige machte die Fahrtkosten als Reisekosten geltend mit der Begründung, er erledige sämtliche notwendigen Innendienstarbeiten in seinem genehmigten Büro von zu Hause aus und unterhalte seinen Amtssitz bei Gericht lediglich aufgrund gesetzlicher Verpflichtung (§ 30 Gerichtsvollzieherordnung – GVO), sodass er dort über keine erste Tätigkeitsstätte verfüge.
Entscheidung
Der BFH entschied jedoch, dass sich die erste Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen im Streitjahr an seinem Amtssitz in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts sowie dem vom Steuerpflichtigen angemieteten Geschäftszimmer (§ 30 GVO) befand.
Zwar haben der Steuerpflichtige und die anderen Gerichtsvollzieher das Gemeinschaftsbüro angemietet und nutzen es dementsprechend aus eigenem Recht für ihre berufliche Tätigkeit. Gleichwohl ist es dem Dienstherrn angesichts der besonderen öffentlich-rechtlichen Regelung des Dienstverhältnisses eines Gerichtsvollziehers in der GVO als betriebliche Einrichtung zuzurechnen.
Dem Steuerpflichtigen wird in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts kein Geschäftszimmer zur Verfügung gestellt. Er ist vielmehr nach § 30 GVO verpflichtet, an seinem Amtssitz, dem Sitz seiner Dienstbehörde (§ 2 Satz 1 GVO), ein Geschäftszimmer auf eigene Kosten zu halten. Dieses ist von außen als solches kenntlich zu machen und mit einem Briefeinwurf oder Briefkasten zu versehen (§ 30 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 GVO). Daneben sind die Büroeinrichtung und die technische Ausstattung des Geschäftszimmers am Amtssitz nach Art und Umfang im Einzelnen in § 30 Abs. 3 bis 5 GVO geregelt. Zudem ist vorgeschrieben, welche dienstlichen Unterlagen (wie Akten, Register und Kassenbücher, Datenträger) der Gerichtsvollzieher in dem Geschäftszimmer aufzubewahren hat (§ 30 Abs. 8 Satz 1 GVO) und welche privaten Unterlagen im Geschäftszimmer nicht aufbewahrt werden dürfen (§ 30 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 2 GVO).
Angesichts dieser Vorgaben ist auch das Gemeinschaftsbüro (Geschäftszimmer) des Steuerpflichtigen dem Arbeitgeber, im Streitfall dem Land Baden-Württemberg, als betriebliche Einrichtung zuzurechnen.
Die Dienstgebäude des Amtsgerichts und das am selben Ort angemietete Geschäftszimmer des Steuerpflichtigen stehen auch in einem räumlichen und organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers. Sie stellen daher eine zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung dar.
Der Steuerpflichtige war dieser Tätigkeitsstätte, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts und dem angemieteten Geschäftszimmer, nach den bestehenden dienstrechtlichen Vorschriften zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgte auch unbefristet, denn sie war weder kalendermäßig bestimmt noch ergab sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung eine Befristung. Außerdem war der Steuerpflichtige dort auch in dem für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte hinreichenden Umfang tätig geworden.
Fundstelle
BFH 16.12.20, VI R 35/18