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Die sog. Mehrwegangebotspflicht in der Gastronomie ist zu Beginn des Jahres 2023 in Kraft getreten (vgl. §§ 33, 34 Verpackungsgesetz), sodass der zugrunde liegende Fall ein aktuelles Thema aufgreift. Der BFH entschied darüber, ob eine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mieten für Mehrwegbehältnisse in Betracht kommt, wenn das Vertragsverhältnis neben der Gebrauchsüberlassung auch umfangreiche Werk-, Dienstleistungs- und Transportvertragselemente enthält.

Sachverhalt

Die Klägerin belieferte u. a. den Einzelhandel mit ihren Waren. Dabei wurden sog. Mehrwegsteigen genutzt, die im Rahmen eines umfassenden Mehrwegsystems der Klägerin gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wurden. Die Mehrwegsteigen nutzte die Klägerin für die Verpackung der Waren und den Transport von den Erzeugern zu den jeweiligen Kunden des Einzelhandels. Dort wurden die Waren in den Mehrwegsteigen präsentiert.

Im Streitjahr 2011 nutze die Klägerin die Mehrwegsteigen von zwei unterschiedlichen Anbietern. Das Unternehmen H stellte dabei ein umfassendes Mehrweg- und (Rück-)Logistiksystem zur Verfügung. Die Steigen wurden grundsätzlich direkt an die Erzeuger geliefert. Von dort wurden sie nach Befüllung mit den Waren durch die Klägerin selbst oder in deren Auftrag an den Einzelhandel verbracht. Das Unternehmen H betrieb sodann die gesamte Rücklogistik der Steigen (Abholung beim Einzelhandel und Verbringung – ggf. über Zwischenlagerungen – in ihr Depot einschließlich Müllentsorgung, Reparatur, Sortierung und Reinigung der Steigen). Diese Leistungen wurden als sog. Systemleistungen bezeichnet.

Das Unternehmen L stellte die Steigen dagegen für die Klägerin zur Abholung ab ihrem Depot bereit. Nach Befüllung durch die Erzeuger wurden sie dorthin von der Klägerin zurückgebracht. Die Auslieferung an die Einzelhandelsfilialen des Unternehmens L und die Rücklogistik der Steigen erfolgte von L in eigener Organisation.

Bei Art und Menge der Bestellung der jeweiligen Mehrwegsteigen orientierte sich die Klägerin eng an den jeweiligen Warenbestellungen des Einzelhandels und an deren strengen Vorgaben für die Art der – je nach Ware oder Warengruppe – zu nutzenden Mehrwegsteigen. Die Mehrwegsteigen waren in der Regel ein bis drei Tage bei der Klägerin im Umlauf. Einen längerfristigen Bestand an Mehrwegsteigen hielt die Klägerin nicht vor.

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst d GewStG vorzunehmen ist.

Entscheidung des BFH

Der BFH entschied, dass die Klägerin an die H keine hinzuzurechnenden Miet- oder Pachtzinsen gezahlt hat. Die maßgebenden Leistungen des „Voll-Logistik-Konzepts“ gingen, so der BFH, weit über die eine Vermietung prägende „passive“ Gebrauchsüberlassung hinaus und seien zu Recht nicht als Mietvertrag i. S. v. § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG beurteilt worden.

Dies sei bei den an die L gezahlten Entgelte für die Überlassung ihrer Mehrwegsteigen anders zu beurteilen. Diese seien nicht hinzuzurechnen, weil diese Steigen nicht zum fiktiven Anlagevermögen der Klägerin gehören. Gebe ein Handelsunternehmen seinem mit ihm in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung stehenden Lieferanten vor, dass dieser die Ware in einem bestimmten Steigentyp zu liefern hat, führe eine wiederholte Anmietung dieses Steigentyps bei unterstelltem Eigentum zur Annahme von Anlagevermögen.

Erläuterungen

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Urteile zu den Hinzurechnungen für Miet- und Pachtzinsen ergangen. So hat der BFH etwa eine Hinzurechnung von Mietaufwendungen für den Fall einer reinen Zwischenvermietung und auch für eine lediglich kurzfristige An- und Weitervermietung eines Konzertveranstaltungsunternehmens bejaht.

Anders beurteilt hat der BFH den Fall einer kurzfristigen Anmietung von Messeständen zu eigenen Ausstellungszwecken sowie in einem besonders gelagerten Fall auch für ein Messedurchführungsunternehmen.

Gegenstand der Hinzurechnung sind Miet- und Pachtzinsen i. S. d. bürgerlichen Rechts (§§ 535 ff. BGB). Der Nutzungsvertrag muss daher seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis i. S. d. bürgerlichen Rechts sein (z. B. BFH 25.10.16, I R 57/15, betreffend Messedurchführungsgesellschaft). Enthält die Vereinbarung wesentliche miet- oder pachtfremde Elemente, so kommt es darauf an, ob mehrere trennbare Hauptpflichten vorliegen oder ob die Hauptpflichten miteinander verschmelzen und damit ein Vertrag eigener Art gegeben ist. Dabei ist maßgeblich, mit welchem Inhalt die Beteiligten das Vertragsverhältnis durchgeführt haben.

Nach Auffassung des BFH führt die Überlassung sog. Mehrwegsteigen, die dem Transport von Obst und Gemüse dienen, bei einem typengemischten Vertrag nicht zu einer Mietüberlassung. Entscheidend ist letztlich, ob der Schwerpunkt der vertraglichen Vereinbarung bei wirtschaftlicher Betrachtung in der Überlassung einer Sache zu sehen ist oder ob andere Vertragselemente entscheidend sind.

Der BFH präzisiert zudem die Voraussetzungen für das Vorliegen von fiktiven Anlagevermögen. Wenn gleichartige Wirtschaftsgüter jeweils nur kurzfristig, allerdings wiederkehrend in einem mehrjährigen Zeitraum angemietet werden, liegt i. d. R. fiktives Anlagevermögen vor.

Entscheidend sind die Einzelfallumstände des Sachverhalts, deren Ermittlung dem Finanzgericht obliegt – also nicht dem BFH. Wenn das Unternehmen z. B. auf das Wirtschaftsgut nicht angewiesen ist, liegt kein fiktives Anlagevermögen vor.

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BFH 1.6.22, III R 56/20