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Es ist Sache des Steuerpflichtigen, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer darzulegen und gegebenenfalls im Rahmen der ihm obliegenden Feststellungslast nachzuweisen. Dabei kann der Steuerpflichtige sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.

Grundsatz

Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden.

Nutzungsdauer ist der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können.

Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen.

Es ist Sache des Steuerpflichtigen, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer – im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten darzulegen und gegebenenfalls – im Rahmen der ihm obliegenden Feststellungslast – nachzuweisen.

Entscheidung

Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.

Erforderlich ist insoweit, dass die Darlegungen des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten – z. B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen – geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 EStDV), im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist.

Die Bestimmung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG räumt dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht dahingehend ein, ob er sich mit dem typisierten AfA-Satz nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG zufriedengibt oder eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend macht und darlegt. Auszugehen ist im Rahmen der vom FA durchzuführenden Amtsermittlung von der Schätzung des Steuerpflichtigen. Da im Rahmen der Schätzung des Steuerpflichtigen nicht Gewissheit über die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer, sondern allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden kann, ist sie nur dann zu verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt.

Im Streitfall folgte das FG einem vorgelegten Bausubstanzgutachten, insbesondere der Zustandsermittlung von Immobilien mithilfe des sog. ERAB-Verfahrens (Verfahren zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen) und schätzte die Restnutzungsdauer mit 31 Jahren. Ungeachtet des Umstands, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG das neuartige ERAB-Verfahren nicht vor Augen haben konnte, kann allein ein Bausubstanzgutachten dieses Zuschnitts den vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG glaubhaft zu machenden „technischen Verschleiß“ eines Gebäudes zutreffend abbilden.

Beachten Sie | Nach dem Entwurf eines JStG 2022 soll künftig der Nachweis einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer nicht mehr möglich sein.

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FG Köln 23.3.22, 6 K 923/20