In Steuer-Tipps für ALLE

Hält sich ein zunächst im Inland wohnhaftes minderjähriges Kind zu Ausbildungszwecken für mehr als ein Jahr außerhalb des Gebiets der EU und des EWR auf, behält es seinen Inlandswohnsitz in der Wohnung eines oder beider Elternteile nur dann bei, wenn ihm in dieser Wohnung zum dauerhaften Wohnen geeignete Räume zur Verfügung stehen. Es muss diese objektiv jederzeit nutzen können und tatsächlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit auch nutzen. Eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes kommt dabei im Regelfall nur dann in Betracht, wenn das Kind diese Wohnung zumindest zum überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeiten tatsächlich nutzt.

Grundsatz

Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat haben und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten leben, wird in der im Streitzeitraum geltenden Fassung kein Kindergeld gewährt. Das Existenzminimum dieser Kinder wird nur durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Besteuerung freigestellt, die keine unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes voraussetzen (vgl. § 32 Abs. 1 und 6 EStG).

Entscheidung

Halten sich minderjährige Kinder zusammen mit einem Elternteil zum Zwecke des Schulbesuchs mehrjährig im außereuropäischen Ausland auf, geht der BFH davon aus, dass es bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Umstände für eine Beibehaltung des Inlandswohnsitzes spricht, wenn ein minderjähriges Kind die ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend im Inland verbringt.

Im Streitfall enthielt das FG-Urteil keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Annahme, dass die im Ausland zur Schule gehenden Kinder während des Streitzeitraums keinen inländischen Wohnsitz hatten. Denn das FG hatte nicht die gesamten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.

Dabei ist zu beachten, dass bei voraussichtlicher Rückkehr innerhalb eines Jahres regelmäßig keine Aufgabe des Wohnsitzes vorliegt, sodass Inlandsaufenthalte für die Beibehaltung des Wohnsitzes nicht erforderlich sind.

Wird die Absicht zur Rückkehr innerhalb eines Jahres aufgegeben, so kann in diesem Moment eine Aufgabe des Wohnsitzes erfolgen. Entscheidend ist insoweit, in welchem Zeitpunkt Umstände eintreten, die nunmehr Rückschlüsse auf einen längerfristigen Auslandsaufenthalt zulassen. Ab diesem Zeitpunkt kommt den Inlandsaufenthalten bei der Frage der Beibehaltung des Wohnsitzes im Elternhaus – der „Zwischenwohnung“ – wieder erhebliche Bedeutung zu.

Im Streitfall war offengeblieben, in welchem Umfang die Kinder im Streitzeitraum ausbildungsfreie Zeiten hatten und welchen Teil der Ferien sie in Deutschland verbrachten. Das FG hatte zwar die Anzahl der Tage festgestellt, an denen sich die Kinder im Inland befanden, und dass davon zehn Tage außerhalb der Ferien lagen. Ob die Kinder die ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend im Inland verbracht haben, hatte das FG jedoch weder festgestellt noch gewürdigt.

Darüber hinaus hatte das FG nicht festgestellt, ob die Kinder während des Streitzeitraums soziale oder persönliche Beziehungen am bisherigen Wohnort aufrechterhalten und bei ihren Inlandsaufenthalten weiter gepflegt hatten.

Da die Feststellungen des FG keine Beurteilung darüber zuließen, ob und ggf. wann die Kinder ihren Wohnsitz in der vom Anspruchsberechtigten angemieteten Zwischenwohnung begründet hatten und ob sie ihn im gesamten Streitzeitraum beibehalten, zunächst beibehalten und später aufgegeben oder bereits im September 2015 aufgegeben und erst später, etwa im Juni 2017, wieder neu begründet hatten. Das FG muss nun die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes im zweiten Rechtsgang nachholen.

fundstelle
BFH 28.4.22, III R 12/20