Verpflichtet sich ein Handelsunternehmen gegenüber den an seinem Kundenkartenprogramm teilnehmenden Kunden, diesen im Rahmen eines Warenkaufs in Abhängigkeit von der Höhe des Warenkaufpreises Bonuspunkte bzw. Gutscheine zu gewähren, die der Karteninhaber innerhalb des Gültigkeitszeitraums bei einem weiteren Warenkauf als Zahlungsmittel einsetzen kann, ist für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte bzw. Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Es muss jedoch wahrscheinlich sein, dass die Verbindlichkeit entsteht und dass das Unternehmen in Anspruch genommen werden wird.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Passivierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen Verpflichtungen der Steuerpflichtigen aus einem Kundenkartenprogramm (A-Card) in der Bilanz zum 31.12.2010.
Entscheidung
Der BFH entschied, dass die Steuerpflichtige im Streitjahr keine Verbindlichkeit gegenüber Karteninhabern aus der Gewährung von am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkten und Gutscheinen ausweisen konnte, weil diese dem Grunde nach noch ungewiss war. Denn nach § 247 Abs. 1 HGB sind in der Handelsbilanz Schulden zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und die am zu beurteilenden Bilanzstichtag eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung darstellt.
Dies gilt nach dem aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG folgenden sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz auch für Zwecke der Steuerbilanz.
Im Streitfall schied die Passivierung von Verbindlichkeiten aus der Verpflichtung der Steuerpflichtigen gegenüber den Inhabern der A-Card zur Einlösung der gewährten Bonuspunkte bzw. ausgestellten Gutscheine in der Bilanz zum 31.12.2010 aus. Denn der Tatbestand, an den die Leistungspflicht der Steuerpflichtigen geknüpft ist, war zum Bilanzstichtag noch nicht verwirklicht, das Entstehen der Verbindlichkeit daher dem Grunde nach noch ungewiss.
Die Steuerpflichtige musste jedoch in ihrer Bilanz zum 31.12.2010 für die am Bilanzstichtag noch nicht eingelösten Bonuspunkte/Gutscheine eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden.
Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot für Verbindlichkeitsrückstellungen gehört zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz.
Beachten Sie | Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Als weitere Voraussetzung muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen.
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige für die Aufwendungen aus den an die Karteninhaber gewährten Bonuspunkten und Gutscheinen bereits im Streitjahr erfolgswirksam eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in ihrer Bilanz zu passivieren, da ihre Anrechnungsverpflichtung ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag hatte und es auch wahrscheinlich war, dass die Verbindlichkeit der Steuerpflichtigen entstehen und sie in Anspruch genommen werden würde.
Einer Rückstellungsbildung standen auch die Grundsätze der Bilanzierung schwebender Geschäfte nicht entgegen, da die Anrechnungspflicht der Steuerpflichtigen keinen auf einen gegenseitigen Leistungsaustausch gerichteten Vertrag darstellte. Denn sie hatte ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Ursprung im ersten Warenkauf, der bereits abgewickelt war. Die Anrechnungspflicht diente nicht der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung, die die Steuerpflichtige im Rahmen des zweiten Warenkaufs eingegangen ist. Der weitere Warenkauf stellte lediglich das Rechtsgeschäft dar, in dessen Rahmen für den Kunden die Möglichkeit besteht, von seinem Anspruch Gebrauch zu machen, d. h., das ihm von der Steuerpflichtigen gewährte Zahlungsmittel zwecks Verrechnung mit dem Kaufpreis einzusetzen.
Der Bildung einer entsprechenden Rückstellung stand auch das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG nicht entgegen, da die Anrechnungsverpflichtung der Steuerpflichtigen keine Verpflichtung im Sinne dieser Regelung darstellte. Das Passivierungsverbot setzt demnach voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers verabredungsgemäß nur auf künftiges Vermögen des Schuldners (damit also nicht auf am Bilanzstichtag vorhandenes Vermögen) bezieht. Es fehlte daher im Streitfall an einer Verpflichtung der Steuerpflichtigen i. S. d. § 5 Abs. 2a EStG, denn die Erfüllung der Anrechnungsverpflichtung der Steuerpflichtigen bezog sich nicht verabredungsgemäß nur auf deren künftiges Vermögen.
Fundstelle
BFH 29.9.22, IV R 20/19