Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Einrichtung handelt, die keine systematische Gewinnerzielung anstrebt, sind sämtliche Tätigkeiten eines Unternehmers zu berücksichtigen. Die Hilfsperson im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 AO muss selbst die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG erfüllen.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige ist als selbstständiger Rechtsanwalt insbesondere auf dem Gebiet des Familienrechts tätig. Zudem wird er im Namen und auf Rechnung der ADN Schuldner- und Insolvenzberatung e.V. (im Folgenden: ADN) als Schuldnerberater tätig. In den strittigen Umsatzsteuer-Voranmeldungen behandelte der Steuerpflichtige die Umsätze aus der Anwaltstätigkeit als steuerpflichtig und die Umsätze aus der Schuldnerberatung als steuerfrei. Das Finanzamt stufte die Leistungen aus der Schuldnerberatung als steuerpflichtig ein. Der Steuerpflichtige legte u. a. hiergegen zunächst erfolglos Einspruch ein und klagte im Anschluss vor dem FG.
Entscheidung
Das FG Niedersachsen hat die vom Steuerpflichtigen erzielten Umsätze aus der Schuldnerberatung zu Recht als steuerpflichtig angesehen.
Gemäß § 4 Nr. 18 UStG sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden, steuerfrei. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden.
Unionsrechtliche Grundlage der Neuregelung des § 4 Nr. 18 UStG ist Artikel 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Die Vorschrift ist zum 1.1.2020 vollständig neu gefasst worden.
Mit der aktuellen Fassung werden eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, soweit sie nicht bereits in anderen Ziffern des § 4 UStG genannt sind. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Die anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter werden in § 4 Nr. 18 Satz 2 UStG bestimmt und enthalten die auf Art. 133 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL beruhende Einschränkung, dass sie keine systematische Gewinnerzielung anstreben dürfen.
Zwischen den Beteiligten war unstreitig, dass der Steuerpflichtige als natürliche Person mit der Schuldnerberatung im außergerichtlichen Insolvenzverfahren grundsätzlich unter diese Vorschrift fallen könnte. Streitig war nur, ob eine systematische Gewinnerzielung angestrebt wird und deshalb die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht erfüllt sind.
Der Steuerpflichtige als natürliche Person strebte aufgrund seiner Rechtsanwaltstätigkeit eine Gewinnerzielung an.
Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Einrichtung handelt, die keine systematische Gewinnerzielung anstrebt, sind sämtliche Tätigkeiten eines Unternehmers zu berücksichtigen. Die Einrichtung darf z. B. im Gegensatz zum Zweck eines gewerblichen Unternehmens nicht darauf gerichtet sein, für ihre Beteiligten Gewinne zu erzielen.
Für den Streitfall folgte für das FG daraus, dass auf sämtliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen abzustellen war. Er war sowohl als Schuldnerberater als auch als Rechtsanwalt tätig. Als Rechtsanwalt strebte er eine systematische Gewinnerzielung an. Zwar kann eine Einrichtung ohne Gewinnstreben auch dann vorliegen, wenn sie systematisch danach strebt, Überschüsse zu erwirtschaften, die sie anschließend für die Durchführung ihrer Leistungen verwendet. Dies hat der Steuerpflichtige für seine gesamten Tätigkeiten jedoch nicht behauptet und anhand geeigneter Unterlagen dargelegt.
Auch in dem Einwand des Steuerpflichtigen, als Hilfsperson im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 2 AO die satzungsmäßigen Zwecke der nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreiten ADN zu erfüllen, sah das FG keinen Grund zu einer anderen Beurteilung. Denn die Hilfsperson muss selbst die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG erfüllen. Andere Einrichtung i. S. d. § 4 Nr. 18 UStG ist im Streitfall der Steuerpflichtige als natürliche Person mit seinen sämtlichen Tätigkeiten. Er darf also keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Durch seine Rechtsanwaltstätigkeit liegt jedoch – wie bereits ausgeführt – ein systematisches Gewinnstreben vor.
Beachten Sie | Das Finanzgericht hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen. Zur Neufassung des § 4 Nr. 18 UStG liegt noch keine Entscheidung des BFH vor. Gleichwohl ist das Urteil rechtskräftig geworden.
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FG Niedersachsen 5.9.22, 11 K 56/22