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Ist ein Bereitschaftsdienst am Arbeitsplatz abzuleisten, ist die gesamte Dauer des abgeleisteten Bereitschaftsdienstes als tatsächlich geleistete Arbeit i. S. d. § 3b Abs. 1 EStG zu werten. Dies ist selbst dann so, wenn die Bereitschaftsdienstzeit aufgrund von zwischen den Vertragsparteien getroffenen Regelungen nicht vollumfänglich als Arbeitszeit bewertet wird. Der Grundlohn bemisst sich in diesem Fall nach dem regulären, vertraglich vereinbarten – auf eine Stunde umgerechneten – Arbeitslohn.

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige betreibt eine Förderschule mit angeschlossenem Internat für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Die in Wohngruppen lebenden Kinder und Jugendlichen wurden von dem Betreuungspersonal ganztägig betreut. Die Betreuer verbrachten auch die Nacht in den jeweiligen Wohngruppen.

Gemäß den arbeitsvertraglichen Regelungen und den diese ergänzenden Anlagen setzten sich die regelmäßigen monatlichen Dienstbezüge aus der monatlichen Regelvergütung, der Kinderzulage und den sonstigen Zulagen zusammen. Soweit ein Stundenlohn für die Dienstbezüge zu ermitteln war, waren die Dienstbezüge des Mitarbeiters durch das 4,348-Fache der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des entsprechenden vollbeschäftigten Mitarbeiters zu teilen.

Während der Dauer des von 0:00 Uhr bis 8:00 Uhr andauernden Bereitschaftsdienstes hielten sich die Beschäftigten der Steuerpflichtigen zur Wahrnehmung ihrer Betreuungsfunktion in den jeweiligen Wohngruppen auf und erhielten gemäß den vorstehend beschriebenen Regelungen die tatsächliche Anwesenheitszeit zu 25 % als Arbeitszeit angerechnet. Bei einem Bereitschaftsdienst mit einer Dauer von acht Stunden wurden als Arbeitszeit zwei Stunden angerechnet, die übrige Zeit der Anwesenheit in den Räumen der Arbeitgeberin wurde nicht als Arbeitszeit erfasst. Das als Arbeitszeit vergütete Entgelt wurde unter Lohnart 100 regulär versteuert.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die den Beschäftigten gezahlten Zuschläge zu Unrecht steuerfrei ausgezahlt worden seien, da diese auf der Grundlage der Bereitschaftsentschädigung über den in § 3b EStG genannten Höchstgrenzen gelegen hätten.

In Anwendung der Entscheidung des BFH vom 27.8.2002 (VI R 64/96, BStBl II 02, 883) zur geringeren Beeinträchtigung beim Bereitschaftsdienst im Vergleich zum regulären Dienst in den begünstigten Zeiten sei die Grenze nicht auf der Grundlage des sich nach dem individuellen regulären Monatslohns ergebenden Stundenlohns (Grundlohns) zu berechnen, sondern lediglich auf der Grundlage der während der begünstigten Zeiten gezahlten Bereitschaftsentschädigung, die danach nur 25 % der regulären Vergütung betrage. Danach sei nur ein anteiliger Betrag von 40 % steuerfrei und die Differenz der Lohnsteuer zu unterwerfen. Gegenüber der Steuerpflichtigen als Schuldnerin der pauschalen Lohnsteuer erging ein Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2014 bis Dezember 2017.

Entscheidung

Das FG entschied, dass das FA die für die Bereitschaftsdienste geleisteten Sonntags-, Feiertags- bzw. Nachtarbeitszuschläge (SFN-Zuschläge) zu Unrecht der Lohnbesteuerung unterworfen hatte.

Denn die Zuschläge überschreiten nicht die in § 3b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG genannten Höchstgrenzen, weil der als Grundlohn für die Berechnung der prozentualen Grenzen anzusetzende Stundenlohn ausgehend von dem regulären Monatslohn der Beschäftigten und nicht von einem gekürzten, für die angerechnete Bereitschaftsdienstzeit ermittelten Grundlohn zu berechnen ist.

Das FG ist der Ansicht, dass der Zuschlag für die Zeit des Bereitschaftsdienstes nicht nach der anteilig für den Bereitschaftsdienst gezahlten Vergütung von 25 %, sondern nach dem vollen auf eine Stunde umgerechneten individuellen Tabellenentgelt zu berechnen ist, da die Beschäftigten dem Dienstherrn ihre Arbeitskraft während der Bereitschaftsdienstzeit am Arbeitsplatz zur Verfügung stellen und er diese dort im Bedarfsfall abrufen kann. Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft am Arbeitsplatz zum Abruf bereitstellt, ist diese Bereitstellung ungeachtet der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Regelungen zur Vergütung dieser Zeiten tatsächlich geleistete Arbeit i. S. d. § 3b Abs. 1 EStG. Die Zuschläge sind unstreitig neben dem Grundlohn geleistet worden. Auf der Grundlage der Berechnung des Monatslohns übersteigen diese die in § 3b Abs. 1 EStG genannten Prozentsätze nicht.

Das FG hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob Maßstab für die Steuerbefreiung das für den bei Anwesenheit am Arbeitsplatz geleisteten Bereitschaftsdienst gezahlte Entgelt oder der sonst maßgebende Grundlohn ist, durch den Bundesfinanzhof noch nicht geklärt ist.

fundstelle
FG Niedersachsen 15.12.21, 14 K 268/18, Rev. beim BFH unter VI R 1/22