In für Erben, Steuer-Tipps für ALLE

Der Begünstigungszeitraum des § 35b Satz 1 EStG beginnt mit Entstehung der Erbschaftsteuer (§ 9 ErbStG) regelmäßig also mit dem Tod des Erblassers.

Sachverhalt

Die Steuerpflichtigen sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Steuerpflichtige ist der Alleinerbe der 2010 verstorbenen W, zu deren Nachlass unter anderem zwei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften gehörten. Die Ausstellung des Erbscheins dauerte sechs Jahre. So lange war der Steuerpflichtige gehindert, über das Erbe zu verfügen. In 2016 wurde die Erbschaftsteuererklärung eingereicht, durch das Finanzamt festgesetzt und vom Steuerpflichtigen die angefallene Erbschaftsteuer entrichtet. Mit Wirkung zum 1.1.2017 veräußerte der Steuerpflichtige die KG-Beteiligungen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2017 machten die Steuerpflichtigen hinsichtlich dieser Veräußerungen die Steuerermäßigung nach § 35b EStG geltend. Das FA gewährte die Ermäßigung nicht.

Das FG wies die Klage ab. Die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 35b EStG setze voraus, dass der Begünstigungszeitraum von fünf Veranlagungsjahren eingehalten werde. Dies sei im Streitfall nicht gegeben, da zwischen dem Tod der W und der Veräußerung der KG-Beteiligungen rund sechs Jahre vergangen seien.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

Begründung

Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird gemäß § 35b Satz 1 EStG auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um den in § 35b Satz 2 EStG bestimmten Prozentsatz ermäßigt.

Der Prozentsatz bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 ErbStG und der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG hinzugerechnet werden (§ 35b Satz 2 EStG). Begünstigt sind nach § 35b Satz 1 EStG „Einkünfte“, die „als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben“.

Nach Sinn und Zweck der Norm erfasst § 35b EStG dabei die Fälle, in denen der von Todes wegen hinzuerworbene Vermögensgegenstand – z. B. nach einer einkommensteuerpflichtigen Veräußerung – mit seinem Wert zusätzlich der Einkommensteuer unterworfen ist.

Einkünfte haben in dem Zeitpunkt „der Erbschaftsteuer unterlegen“, in dem die Erbschaftsteuer für den korrespondierenden Erwerb nach Maßgabe von § 38 AO i. V. m. § 9 ErbStG rechtlich entstanden ist. Während die Gesetzesfassung des § 35b EStG mit der Überschrift mehrdeutig ist, spricht die Gesetzessystematik einschließlich der Notwendigkeit, die Berechnung der Ermäßigung auch tatsächlich durchführen zu können, nach Auffassung des BFH für eine Anknüpfung an den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer. Denn die in § 35b EStG vorgesehene Steuerermäßigung lässt sich nach Grund und Umfang nur dann sachgerecht ermitteln, wenn man auf den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer abstellt.

§ 35b EStG muss auch handhabbar bleiben. Eine Auslegung, die in der Rechtsanwendung zu nicht oder nur schwer lösbaren Problemen führen würde, wäre eine der Funktionalität der Einkommensbesteuerung widersprechende Auslegung. Aus diesem Grunde muss der Ermäßigungszeitraum zu einem klar definierten Zeitpunkt beginnen, der einfach feststellbar ist, aber auch über den Einzelfall hinaus eine gewisse Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet. Dies ist regelmäßig der Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer, meist also der Todestag des Erblassers oder der Erblasserin.

Dagegen variiert der Zeitpunkt der Festsetzung der Erbschaftsteuer je nach Einzelfall deutlich stärker. Im Fall von Änderungen des Erbschaftsteuerbescheids gibt es zudem mehrere Festsetzungszeitpunkte. Hier bliebe aber unklar, an welchen Zeitpunkt anzuknüpfen wäre.

Soweit eine Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung zu einer Änderung des Ermäßigungsbetrags führt, stehen die Änderungsvorschriften der Abgabenordnung zur Verfügung. Es ist aber kein sachgerechtes Kriterium dafür ersichtlich, wie in einem solchen Fall der Ermäßigungszeitraum bestimmt werden sollte.

Nach Meinung des BFH ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn aufgrund der Begrenzung des Begünstigungszeitraums des § 35b Satz 1 EStG auf fünf Jahre zum einen der Erwerb der Beteiligungen mit Erbschaftsteuer und zum anderen ihre Veräußerung mit Einkommensteuer belastet wird. Weder ist dadurch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, noch ist eine etwaige verfassungsrechtlich zu beachtende Belastungsgrenze überschritten.

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