Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein. Dafür ist es erforderlich, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer „Krankheit“ der Frau oder des Mannes beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Eine chromosomale Translokation mit erheblichen hieraus resultierenden Risiken und möglichen Folgen für ein auf natürlichem Weg gezeugtes Kind ist als Krankheit einzuordnen.
Sachverhalt
Der Partner der Steuerpflichtigen leidet an einer chromosomalen Translokation (sogenannte balancierte reziproke Translokation), einer genetischen Veränderung, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass ein gemeinsames Kind schwerste körperliche oder geistige Behinderungen erleidet und unter Umständen nicht lebensfähig ist.
Die Steuerpflichtige begab sich zum Ende des Jahres 2018 zusammen mit ihrem Partner in ein Kinderwunschzentrum in Behandlung. Im Jahr 2019 fanden im Kinderwunschzentrum mehrere Behandlungen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung statt, wobei aus medizinischen Gründen bei der vorliegenden chromosomalen Translokation des Mannes dennoch der Großteil der Behandlungsschritte am Körper der Frau erfolgen musste. Die entstandenen Kosten machte die Steuerpflichtige als außergewöhnliche Kosten nach § 33 EStG geltend. Das FA lehnte einen steuermindernden Abzug ab.
Entscheidung
Das sah das FG jedoch anders und gab der Klage im Grundsatz statt. Die im Streitfall vorliegende chromosomale Translokation beim Mann ist als Krankheit anzusehen, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass ein gemeinsames Kind schwerste körperliche oder geistige Behinderungen erleidet und unter Umständen nicht lebensfähig ist. Die von der Steuerpflichtigen eingereichten ärztlichen Bescheinigungen und die Erlaubnis zur Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik belegen den Zustand der chromosomalen Translokation und die hiermit einhergehenden Risiken hinreichend. Das FG hält es deshalb für angemessen, die vorliegend gegebene chromosomale Translokation angesichts der erheblichen, hieraus resultierenden Risiken und weitreichenden Folgen für ein auf natürlichem Weg gezeugtes Kind als Krankheit des Mannes einzuordnen.
fundstelle
FG Niedersachsen 14.12.21, 6 K 20/21, Rev. BFH VI R 2/22