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Die Feststellung einer Behinderung als Voraussetzung für die Bewilligung von Kindergeld für ein mehr als 25 Jahre altes Kind ist eine von der Behörde bzw. dem Gericht zu entscheidende Rechtsfrage. Das Vorliegen der Bescheinigung eines Arztes oder Gutachters war daher auch für das Kindergeld für 2020 keine formelle Voraussetzung für die Feststellung der Behinderung durch die Behörde oder das Gericht.

Entscheidungsgründe

Der Nachweis der Behinderung kann nicht nur durch Vorlage eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises oder Feststellungsbescheids sowie eines Rentenbescheids erfolgen, sondern auch in anderer Form wie beispielsweise durch Vorlage einer Bescheinigung bzw. eines Zeugnisses des behandelnden Arztes oder auch eines ärztlichen Gutachtens erbracht werden. Im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht sollen Gerichte bzw. Behörden im Regelfall ein ärztliches Gutachten einholen oder entsprechende Erkenntnisse durch Einvernahme der behandelnden Ärzte gewinnen. Eine auch danach etwa verbleibende fehlende Nachweislichkeit geht nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zulasten des Kindergeldberechtigten.

Das bedeutet, dass die Annahme einer Behinderung im Einzelfall nicht davon abhängig ist, dass ein Arzt oder Gutachter dies in einer von der Kindergeldkasse vorgegebenen Form bestätigt. Nach Auffassung des FG gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür, vom Arzt oder Gutachter einen Subsumtionsschluss im Hinblick auf den Begriff der Behinderung zu erwarten und die Kindergeldzahlung vom Subsumtionsergebnis des Gutachters abhängig zu machen.

Vielmehr ist die Frage, ob eine Behinderung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vorliegt, eine – von der rechtsanwendenden Behörde oder vom Gericht zu entscheidende – Rechtsfrage.

Einem Sachverständigen, dessen Gutachten Beweismittel ist und der die allgemeinen Erfahrungssätze aus seinem Fachgebiet vermittelt, darf die Prüfung von Rechtsfragen demgegenüber nicht übertragen werden.

Die Vorgaben in der Dienstanweisung zum Kindergeld 2022 (19.2 Abs. 1 Satz 1 DA-KG 2020) können daher nach Auffassung des FG nicht bedeuten, dass das Kindergeld nur bei Vorliegen einer solchen Bescheinigung gewährt werden kann. Die dort genannten Nachweise sollen den Prüfungsaufwand für die Behörde reduzieren. Im Einzelfall kann und muss die Behörde im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht selbst die Umstände ermitteln, um den Rechtsbegriff der Behinderung unter den jeweiligen Lebenssachverhalt zu subsumieren.

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FG Hessen 9.6.22, 1 K 1168/21