Auch wenn ein Darlehen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Gesellschaft aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gewährt worden war, kann der spätere Verzicht darauf nach den Gesamtumständen des Einzelfalls durch das zugleich bestehende Anstellungsverhältnis veranlasst sein. Dies kann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit führen, als die Darlehensforderung noch werthaltig ist. Auch der Verzicht auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens gegen Besserungsschein fällt unter die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG und § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Es ist nicht geboten, den Verlust erst dann zu berücksichtigen, wenn endgültig feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten kann.
Hintergrund
Gewährt ein Arbeitnehmer ein Darlehen, um Zinsen zu erwirtschaften, stehen regelmäßig die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Vordergrund. Der Verlust der Darlehensforderung kann allerdings als Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit zu berücksichtigen sein, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen hat. Ob im konkreten Einzelfall berufliche Gründe vorliegen, ist durch Abwägung aller Umstände zu entscheiden. Als Indiz für solche beruflichen Gründe gilt nach der Rechtsprechung etwa der Umstand, dass ein außenstehender Dritter, insbesondere eine Bank, kein Darlehen mehr gewährt hätte und daher jedenfalls nicht die Nutzung des Geldkapitals zur Erzielung von Zinseinkünften im Vordergrund steht.
Auch wenn ein Darlehen aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gewährt worden war, kann der spätere Verzicht darauf durch das zugleich bestehende Arbeitsverhältnis veranlasst sein und dann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit führen, als die Darlehensforderung noch werthaltig ist. Der zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochene Verzicht auf den Darlehensrückzahlungsanspruch stellt eine weitere selbstständig zu würdigende Finanzierungsmaßnahme dar, die nicht zwingend auf denselben Motiven gründen musste wie die zeitlich vorangehende Darlehensgewährung selbst.
Entscheidung
Im Streitfall sprachen wesentliche Umstände dafür, dass die darlehensmäßigen Stützungsmaßnahmen vorrangig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren. Denn die konkreten Umstände der Darlehensgewährung standen eindeutig im Zusammenhang mit der Stellung des Steuerpflichtigen als Gesellschafter und nicht als Geschäftsführer. Die Darlehensgewährung erfolgte im Rahmen einer abgestimmten Stützungsmaßnahme sämtlicher Gesellschafter, wobei sich der Beitrag jedes Einzelnen nach dem Anteil an der KG richtete. Das Darlehen des Steuerpflichtigen wurde zudem als Nachrangdarlehen gewährt und diente somit der Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals der Gesellschaft.
Wesentlich für eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung sprachen die konkreten Umstände des Darlehensverzichts. Ebenso wie bereits die Darlehensgewährung handelte es sich um eine abgestimmte Stützungsmaßnahme sämtlicher Gesellschafter, die zeitgleich mit einer von einem anderen Gesellschafter getragenen Kapitalerhöhung durchgeführt wurde. Die Darlehensgeber waren bei Eintritt der auflösenden Bedingung gehalten, die zurückgewährten Darlehensbeträge unverzüglich durch Einzahlung als Einlage in die freie Rücklage der GmbH wieder zur Verfügung zu stellen. Beabsichtigt war mithin eine langfristige Stärkung des Eigenkapitals durch die Gesellschafter.
Aufgrund des Darlehensverzichts waren im Jahr 2009 negative Einkünfte gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG in Höhe des zum damaligen Zeitpunkt nicht werthaltigen Teils des Darlehensrückzahlungsanspruchs zu berücksichtigen. Das gilt nach Auffassung des FG auch für einen Darlehensverzicht unter auflösender Bedingung („Besserungsschein“).
Den Verlust aufgrund eines Darlehensverzichts im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG davon abweichend erst zu berücksichtigen, wenn endgültig feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten kann, hielt das FG nicht für geboten. Eine Berücksichtigung des Verlusts aus dem Darlehensverzicht scheiterte nach Auffassung des FG auch nicht an einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen. Vielmehr schloss sich das FG der Auffassung des Schrifttums an, nach der die Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 auch dann bejaht werden kann, wenn es dem Gesellschafter nicht auf die Erzielung von Zinserträgen, sondern auf die Stärkung der Gesellschaft ankommt.
fundstelle
FG München 17.2.22, 11 K 2371/18, Rev. beim BFH unter VIII R 8/22