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Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung ist die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 i. d. F. des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 20, 3096) nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Sachverhalt

Die Antragsteller wenden sich gegen die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i. d. F. des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 20, 3096). Sie halten die Regelung für verfassungswidrig und begehrten beim FA erfolglos Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids.

Entscheidung

Im nachfolgenden Gerichtsverfahren hat das FG den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr von der Vollziehung ausgesetzt. So sieht das auch der BFH. Er hat ebenfalls im Rahmen der nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr.

Der BFH hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i. d. F. des JStG 2020 bei summarischer Prüfung für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der es erfordert, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss.

Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt.

Bei der gebotenen summarischen Prüfung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i. d. F. des JStG 2020 ist diese Vorschrift nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Denn sie bewirkt eine doppelte Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen. Der besondere Verrechnungskreis für Verluste aus Termingeschäften führt zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, je nachdem, ob diese Verluste aus Termingeschäften oder aus anderen Kapitalanlagen erzielt haben. Innerhalb des besonderen Verrechnungskreises für Verluste aus Termingeschäften kommt es darüber hinaus zu einer Ungleichbehandlung der vom Steuerpflichtigen erzielten Gewinne und Verluste aus Termingeschäften, weil die Verluste nur bis zur Höhe von 20.000 EUR mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden dürfen.

Im Ergebnis sieht der BFH zumindest im Aussetzungsverfahren keine tragfähigen sachlichen Rechtfertigungsgründe für die festgestellten Ungleichbehandlungen. Vielmehr liegen aus seiner Sicht hinreichende Gründe für eine strengere, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Prüfung der gesetzgeberischen Differenzierung vor.

Beachten Sie | Dagegen hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 29.4.2024, 10 K 1091/23 entschieden, dass § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i. d. F. des JStG 2020 vom 21.12.2020 trotz bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken insoweit noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden dürfen und die Verlustverrechnung zudem auf jährlich 20.000 EUR begrenzt ist. Die Regelung verstößt nach Auffassung des FG nicht gegen das Übermaßverbot. Die Einführung eines besonderen Verlustverrechnungskreises und dessen Ausgestaltung erscheint nach Auffassung des FG unter dem Gesichtspunkt als sachlich gerechtfertigt und als nicht willkürlich, als der Gesetzgeber damit spekulative Finanzgeschäfte steuerlich unattraktiv machen wollte (Lenkungsziel). Das FG hat die Revision zugelassen, die beim BFH unter dem Az. VIII R 11/24 anhängig ist.

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