Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft fließt ein Gewinnanteil gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann.
Sachverhalt
Streitig war, ob dem Steuerpflichtigen in den Streitjahren 2007 bis 2010 als beherrschendem Gesellschafter einer kroatischen Kapitalgesellschaft beschlossene Gewinnausschüttungen, die ihm nicht ausbezahlt wurden, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen waren.
Entscheidung
Der BFH entschied, dass auch für den Zeitpunkt des Zuflusses von Ausschüttungen aus einer kroatischen Kapitalgesellschaft das deutsche Einkommensteuerrecht maßgeblich ist.
Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d. h., in dem er wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. Bei (wie im Streitfall) beherrschenden Gesellschaftern ist der Zufluss einer Ausschüttung in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung anzunehmen, weil der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sein Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.
Unter diesen Voraussetzungen kann der beherrschende Gesellschafter im Regelfall wirtschaftlich bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses über seinen Gewinnanteil verfügen. Diese Rechtsgrundsätze sind auch auf den Zufluss von Gewinnanteilen bei einem im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft anzuwenden.
Unverzichtbare Bedingung für den Zufluss offener Gewinnausschüttungen beim beherrschenden Gesellschafter ist im Inlandsfall wie im Auslandsfall, dass der Gesellschafter über diejenigen Gewinnanteile, deren Ausschüttung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen wurde, wirtschaftlich verfügen kann. Die Bejahung des Zuflusses trotz noch fehlender tatsächlicher Auszahlung der Gewinnanteile an den beherrschenden Gesellschafter ist nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit keine rechtlichen oder tatsächlichen Hinderungsgründe bestehen, die eine wirtschaftliche Verfügungsmacht und Disposition über die Gewinnanteile vereiteln. In Betracht kommen insoweit nicht nur Hindernisse des Gesellschafts- oder allgemeinen Zivilrechts, sondern auch Hindernisse insolvenz-, steuer- oder bilanzrechtlicher Art.
Entsteht mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach ausländischem Recht ein wie im Streitfall sofort fälliger Gewinnauszahlungsanspruch, kann hieraus nicht in jedem Fall zwingend abgeleitet werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Denn die Dispositionsmöglichkeit des Gesellschafters über die Auszahlung des Ausschüttungsbetrags kann nach den Gegebenheiten des jeweiligen ausländischen Rechts dennoch ausgeschlossen sein. Soweit Gegebenheiten des ausländischen Rechts der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des beherrschenden Gesellschafters über den Ausschüttungsbetrag entgegenstehen, ist noch kein Zufluss bei ihm gegeben.
Im Streitfall hatte das FG die Klage zu Unrecht abgewiesen und allein aus der Fälligkeit der beschlossenen Ausschüttungsbeträge unmittelbar auf die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die Ausschüttungsbeträge geschlossen, ohne zu prüfen, ob seiner Verfügungsmacht nach Maßgabe des kroatischen Rechts Hindernisse entgegenstanden. Der BFH wies daher den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
fundstelle
BFH 14.2.22, VIII R 32/19